Brave New Work: Wie neue Arbeitsplatzmodelle die Gleichberechtigung fördern können
30. November 2021
Die Folgen der Corona-Krise haben gravierende Missstände in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens aufgedeckt. Teilweise führten sie dazu, diese möglichst schnell zu beheben, wie zum Beispiel durch den Boost an digitalen Technologien oder der Etablierung von Arbeitsmodellen, wie dem Homeoffice oder hybriden Arbeitsmodellen. Leider führen Krisen aber auch immer dazu, die Situationen für benachteiligte Menschen zu verschlimmern. Bereits im April 2020 beschrieb die New York Times, wie Millionen von Frauen durch den Verlust ihrer Anstellung oder durch die eigene Kündigung – oft, um sich um Kinder oder Familienmitglieder kümmern zu können – ihren Arbeitsplatz verloren haben. Dazu kommt, dass die Pandemie besonders jene wirtschaftlichen Bereiche getroffen hat, in denen vorwiegend Frauen beschäftigt sind, wie zum Beispiel im Handel, in der Hotellerie oder im Pflegesektor – oft auch als “Pink Collar”-Berufe beschrieben. Auch in der modernen Arbeitswelt der Büroarbeit ziehen weibliche Angestellte oft das schlechtere Los. Generelle Missstände, wie der Gender Pay Gap, mögliche sexuelle Belästigung oder fehlende Berufssicherheit sind leider keine unbekannten Phänomene. Und selbst bei der Ausübung von Homeoffice, einer anfangs allen Angestellten auferlegten Maßnahme, um die Gesundheit zu schützen, werden Frauen benachteiligt.
Gleichheit im Homeoffice? Fehlanzeige.
Locatee, das führende SaaS-Unternehmen für Workplace Analytics, hat vor kurzem gemeinsam mit YouGov eine Umfrage unter 2.000 Büroangestellten in Deutschland erhoben. Eine der Kernfragen war die Frage nach der Freiheit, den eigenen Arbeitsort selbst bestimmen zu dürfen. Nur 16 Prozent der befragten Frauen gaben an, dass sie die volle Freiheit haben, während ein Viertel wieder dauerhaft ins Büro zurückkehren müsse. Bei den männlichen Befragten waren diese Werte vorteilhafter in Hinblick auf die Selbstimmung: 21 Prozent gaben an, die volle Freiheit zu haben und nur 17 Prozent müssten wieder dauerhaft ins Büro zurückkommen. Und obwohl dies natürlich von individuellen Faktoren des Unternehmens und der Tätigkeitsbeschreibung abhängig ist, ist es doch überraschend und zugleich problematisch, wenn man bedenkt, dass laut einer EU-Statistik mit 59 Prozent die Mehrheit der Knowledge Workers in der EU von Frauen gestellt wird.[1]
Dabei kann das Homeoffice und die digitale Arbeitswelt eine Chance sein, Frauen sowohl in ihrer Freiheit als auch in ihrer individuellen Situation zu fördern. Dafür muss eine entsprechende Unternehmenskultur gebildet werden. Denn auch wenn Frauen nicht den ausdrücklichen Zwang auferlegt bekommen, trotz möglichem Homeoffice wieder ins Büro zurückzukehren, ist er dennoch spürbar. Frauen fürchten mehr als Männer, im Homeoffice nicht so sichtbar zu sein und Nachteile gegenüber männlichen Kollegen zu haben, die ins Büro gehen. Betrachtet man die Situation berufstätiger Mütter, belegen Studien zudem, dass flexible Arbeitszeiten es Müttern ermöglicht, ihr Arbeitspensum beizubehalten und in Zeiten hoher familiärer Anforderungen in relativ stressigen, aber gut bezahlten Berufen zu bleiben.[1] Daraus entstehen letztlich auch Vorteile für Unternehmen, da sie nicht auf gut geschulte Fachkräfte verzichten oder diese ersetzen müssen.
Ein Wandel der Unternehmenskultur ist notwendig Die Pandemie hat gezeigt, dass Leistungen und Motivation nichts mit Sichtbarkeit zu tun haben müssen. Dennoch ist es immer noch im Kopf vieler Führungskräfte verankert, dass man eher Anwesenheit belohnen sollte als die tatsächlichen Arbeitsergebnisse. Es ist zwar richtig, dass manche Prozesse, wie unerlässliches Coaching oder das interne Netzwerken nicht rein digital stattfinden können, da Zoom-Konferenzen nicht die gleichen Mechanismen für den Aufbau von Beziehungen und Feedback bieten können. Diese Prozesse können jedoch aufgebrochen oder neu gedacht werden. Bereits jetzt prüfen Unternehmen, wie sie Remote-Mitarbeiter:innen so einbinden können, damit diese sich nicht vom Geschehen im Büro ausgeschlossen fühlen. Denn durch die schnellen, kurzen Gespräche im Büro könnten
sich Remote-Mitarbeiter:innen von wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen fühlen. Bereits vor der Pandemie waren Frauen oft nur in den formellen, offiziellen Kommunikationskanälen vertreten und wurden aus unzähligen Gesprächen, die tatsächliche Entscheidungen beeinflussen, herausgehalten.[1] Hier kann eine Remote-First-Strategie helfen. Kommunikationsmethoden und Feedbackprozesse müssten also entsprechend der jeweiligen Situation individualisiert werden. Inklusive Planung der Meetings, asynchrone Kommunikation, universale Informationszugänge sowie regelmäßiges proaktives Fragen der Mitarbeiter:innen nach Feedback sind Methoden, die Aufschluss darüber geben können, wie sich traditionelle Muster, die vor der Pandemie noch funktionierten, nun aufgebrochen und neu gestaltet werden können.[2]
Daten und Experimente als Guidelines für die Zukunft
Anstatt jedoch Annahmen zu treffen, sollten Unternehmen Daten sammeln und analysieren. Bietet Homeoffice die gleichen Karrieremöglichkeiten für Berufseinsteiger, die mittlere Karrierelaufbahn und für Führungskräfte? Datenbasiertes Personalwesen und Mitarbeiterförderung können deutliche Fortschritte ermöglichen und Führungskräften bessere Entscheidungsgrundlagen bieten. Auch müssen Führungskräfte lernen, dass Homeoffice-Arbeit sich kontinuierlich weiterentwickelt. Es sollten aktive Maßnahmen etabliert werden, um die geschlechtsspezifischen Rollen zu hinterfragen. Falsche oder veraltete Annahmen sollten nicht die Art und Weise bestimmen, wie Führungskräfte oder das Team die Tätigkeit aus dem Homeoffice von männlichen oder weiblichen Mitarbeitenden wahrnehmen. Verständnis, Weiterbildung und Aufklärung sind daher die Kernaufgaben, die Unternehmen mit Remote-Angestellten auf der Agenda haben sollten. Der wohl wichtigste Aspekt bleibt jedoch der Wille zum Wandel an sich. Die Umfrage von Locatee zeigt, dass es vor allem männliche Büroangestellte sind, die sich die traditionelle Büroarbeit zurückwünschen und damit oft auch die alten Strukturen, während Frauen in der wachsenden Flexibilität mehr Vorteile sehen. Es gilt also, den Mut aufzubringen, neue Modelle auszuprobieren, die Erfolge zu messen und nachzubessern. Ob starre Managementprozesse, konservative Bürokonzepte oder der falsche Umgang mit individuellen Bedürfnissen: Sie alle stammen aus veralteten Strukturen, denen die Pandemie nun die Grenzen aufgezeigt hat. Eine Umstellung des Managements auf moderne Einstellungen und Konzepte sowie auf eine echte Datenorientierung wird die größten Auswirkungen auf die Unternehmen haben. Nur dann und nur gemeinsam kann der Wandel und damit auch mehr Gleichheit in der Arbeitswelt gelingen.
Quelle: //locatee.com
[1] Women account for more than half of workers in knowledge-intensive services. Eurostat. 03.04.2021. https://ec.europa.eu/eurostat/web/products-eurostat-news/-/edn-20210304-1
[2] Chung, Heejung & Van der Lippe, Tanja: Flexible Working, Work–Life Balance, and Gender Equality: Introduction. Springer Link. 2018. https://link.springer.com/article/10.1007/s11205-018-2025-x#ref-CR14
[3] Ibarra, H. & Gillard, J. & Chamorro-Premuzich, T.: Why WFH Isn’t Necessarily Good for Women. 16.06.2020. https://hbr.org/2020/07/why-wfh-isnt-necessarily-good-for-women
[4] Ibarra, H. & Gillard, J. & Chamorro-Premuzich, T.: Why WFH Isn’t Necessarily Good for Women. 16.06.2020. https://hbr.org/2020/07/why-wfh-isnt-necessarily-good-for-women
Über die Autorin
Sabine Ehm ist Thought Leadership & Research Manager bei Locatee und beschäftigt sich mit den wichtigen Diskussionen und Trends im CRE-Bereich. Als ehemalige Corporate Real Estate Managerin bei Adidas, verantwortlich für die EMEA-Region, und Asset Managerin bei Siemens kennt sie die heutigen CRE-Herausforderungen sehr gut. Als Moderatorin des Podcasts The Workplace Leader spricht Sabine Ehm in regelmäßigen Abständen mit Entscheidungsträger:innen weltweiter Unternehmen über die Zukunft der Arbeit.
30. November 2021
Die Folgen der Corona-Krise haben gravierende Missstände in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens aufgedeckt. Teilweise führten sie dazu, diese möglichst schnell zu beheben, wie zum Beispiel durch den Boost an digitalen Technologien oder der Etablierung von Arbeitsmodellen, wie dem Homeoffice oder hybriden Arbeitsmodellen. Leider führen Krisen aber auch immer dazu, die Situationen für benachteiligte Menschen zu verschlimmern. Bereits im April 2020 beschrieb die New York Times, wie Millionen von Frauen durch den Verlust ihrer Anstellung oder durch die eigene Kündigung – oft, um sich um Kinder oder Familienmitglieder kümmern zu können – ihren Arbeitsplatz verloren haben. Dazu kommt, dass die Pandemie besonders jene wirtschaftlichen Bereiche getroffen hat, in denen vorwiegend Frauen beschäftigt sind, wie zum Beispiel im Handel, in der Hotellerie oder im Pflegesektor – oft auch als “Pink Collar”-Berufe beschrieben. Auch in der modernen Arbeitswelt der Büroarbeit ziehen weibliche Angestellte oft das schlechtere Los. Generelle Missstände, wie der Gender Pay Gap, mögliche sexuelle Belästigung oder fehlende Berufssicherheit sind leider keine unbekannten Phänomene. Und selbst bei der Ausübung von Homeoffice, einer anfangs allen Angestellten auferlegten Maßnahme, um die Gesundheit zu schützen, werden Frauen benachteiligt.
Gleichheit im Homeoffice? Fehlanzeige.
Locatee, das führende SaaS-Unternehmen für Workplace Analytics, hat vor kurzem gemeinsam mit YouGov eine Umfrage unter 2.000 Büroangestellten in Deutschland erhoben. Eine der Kernfragen war die Frage nach der Freiheit, den eigenen Arbeitsort selbst bestimmen zu dürfen. Nur 16 Prozent der befragten Frauen gaben an, dass sie die volle Freiheit haben, während ein Viertel wieder dauerhaft ins Büro zurückkehren müsse. Bei den männlichen Befragten waren diese Werte vorteilhafter in Hinblick auf die Selbstimmung: 21 Prozent gaben an, die volle Freiheit zu haben und nur 17 Prozent müssten wieder dauerhaft ins Büro zurückkommen. Und obwohl dies natürlich von individuellen Faktoren des Unternehmens und der Tätigkeitsbeschreibung abhängig ist, ist es doch überraschend und zugleich problematisch, wenn man bedenkt, dass laut einer EU-Statistik mit 59 Prozent die Mehrheit der Knowledge Workers in der EU von Frauen gestellt wird.[1]
Dabei kann das Homeoffice und die digitale Arbeitswelt eine Chance sein, Frauen sowohl in ihrer Freiheit als auch in ihrer individuellen Situation zu fördern. Dafür muss eine entsprechende Unternehmenskultur gebildet werden. Denn auch wenn Frauen nicht den ausdrücklichen Zwang auferlegt bekommen, trotz möglichem Homeoffice wieder ins Büro zurückzukehren, ist er dennoch spürbar. Frauen fürchten mehr als Männer, im Homeoffice nicht so sichtbar zu sein und Nachteile gegenüber männlichen Kollegen zu haben, die ins Büro gehen. Betrachtet man die Situation berufstätiger Mütter, belegen Studien zudem, dass flexible Arbeitszeiten es Müttern ermöglicht, ihr Arbeitspensum beizubehalten und in Zeiten hoher familiärer Anforderungen in relativ stressigen, aber gut bezahlten Berufen zu bleiben.[1] Daraus entstehen letztlich auch Vorteile für Unternehmen, da sie nicht auf gut geschulte Fachkräfte verzichten oder diese ersetzen müssen.
Ein Wandel der Unternehmenskultur ist notwendig Die Pandemie hat gezeigt, dass Leistungen und Motivation nichts mit Sichtbarkeit zu tun haben müssen. Dennoch ist es immer noch im Kopf vieler Führungskräfte verankert, dass man eher Anwesenheit belohnen sollte als die tatsächlichen Arbeitsergebnisse. Es ist zwar richtig, dass manche Prozesse, wie unerlässliches Coaching oder das interne Netzwerken nicht rein digital stattfinden können, da Zoom-Konferenzen nicht die gleichen Mechanismen für den Aufbau von Beziehungen und Feedback bieten können. Diese Prozesse können jedoch aufgebrochen oder neu gedacht werden. Bereits jetzt prüfen Unternehmen, wie sie Remote-Mitarbeiter:innen so einbinden können, damit diese sich nicht vom Geschehen im Büro ausgeschlossen fühlen. Denn durch die schnellen, kurzen Gespräche im Büro könnten
sich Remote-Mitarbeiter:innen von wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen fühlen. Bereits vor der Pandemie waren Frauen oft nur in den formellen, offiziellen Kommunikationskanälen vertreten und wurden aus unzähligen Gesprächen, die tatsächliche Entscheidungen beeinflussen, herausgehalten.[1] Hier kann eine Remote-First-Strategie helfen. Kommunikationsmethoden und Feedbackprozesse müssten also entsprechend der jeweiligen Situation individualisiert werden. Inklusive Planung der Meetings, asynchrone Kommunikation, universale Informationszugänge sowie regelmäßiges proaktives Fragen der Mitarbeiter:innen nach Feedback sind Methoden, die Aufschluss darüber geben können, wie sich traditionelle Muster, die vor der Pandemie noch funktionierten, nun aufgebrochen und neu gestaltet werden können.[2]
Daten und Experimente als Guidelines für die Zukunft
Anstatt jedoch Annahmen zu treffen, sollten Unternehmen Daten sammeln und analysieren. Bietet Homeoffice die gleichen Karrieremöglichkeiten für Berufseinsteiger, die mittlere Karrierelaufbahn und für Führungskräfte? Datenbasiertes Personalwesen und Mitarbeiterförderung können deutliche Fortschritte ermöglichen und Führungskräften bessere Entscheidungsgrundlagen bieten. Auch müssen Führungskräfte lernen, dass Homeoffice-Arbeit sich kontinuierlich weiterentwickelt. Es sollten aktive Maßnahmen etabliert werden, um die geschlechtsspezifischen Rollen zu hinterfragen. Falsche oder veraltete Annahmen sollten nicht die Art und Weise bestimmen, wie Führungskräfte oder das Team die Tätigkeit aus dem Homeoffice von männlichen oder weiblichen Mitarbeitenden wahrnehmen. Verständnis, Weiterbildung und Aufklärung sind daher die Kernaufgaben, die Unternehmen mit Remote-Angestellten auf der Agenda haben sollten. Der wohl wichtigste Aspekt bleibt jedoch der Wille zum Wandel an sich. Die Umfrage von Locatee zeigt, dass es vor allem männliche Büroangestellte sind, die sich die traditionelle Büroarbeit zurückwünschen und damit oft auch die alten Strukturen, während Frauen in der wachsenden Flexibilität mehr Vorteile sehen. Es gilt also, den Mut aufzubringen, neue Modelle auszuprobieren, die Erfolge zu messen und nachzubessern. Ob starre Managementprozesse, konservative Bürokonzepte oder der falsche Umgang mit individuellen Bedürfnissen: Sie alle stammen aus veralteten Strukturen, denen die Pandemie nun die Grenzen aufgezeigt hat. Eine Umstellung des Managements auf moderne Einstellungen und Konzepte sowie auf eine echte Datenorientierung wird die größten Auswirkungen auf die Unternehmen haben. Nur dann und nur gemeinsam kann der Wandel und damit auch mehr Gleichheit in der Arbeitswelt gelingen.
Quelle: //locatee.com
[1] Women account for more than half of workers in knowledge-intensive services. Eurostat. 03.04.2021. https://ec.europa.eu/eurostat/web/products-eurostat-news/-/edn-20210304-1
[2] Chung, Heejung & Van der Lippe, Tanja: Flexible Working, Work–Life Balance, and Gender Equality: Introduction. Springer Link. 2018. https://link.springer.com/article/10.1007/s11205-018-2025-x#ref-CR14
[3] Ibarra, H. & Gillard, J. & Chamorro-Premuzich, T.: Why WFH Isn’t Necessarily Good for Women. 16.06.2020. https://hbr.org/2020/07/why-wfh-isnt-necessarily-good-for-women
[4] Ibarra, H. & Gillard, J. & Chamorro-Premuzich, T.: Why WFH Isn’t Necessarily Good for Women. 16.06.2020. https://hbr.org/2020/07/why-wfh-isnt-necessarily-good-for-women
Über die Autorin
Sabine Ehm ist Thought Leadership & Research Manager bei Locatee und beschäftigt sich mit den wichtigen Diskussionen und Trends im CRE-Bereich. Als ehemalige Corporate Real Estate Managerin bei Adidas, verantwortlich für die EMEA-Region, und Asset Managerin bei Siemens kennt sie die heutigen CRE-Herausforderungen sehr gut. Als Moderatorin des Podcasts The Workplace Leader spricht Sabine Ehm in regelmäßigen Abständen mit Entscheidungsträger:innen weltweiter Unternehmen über die Zukunft der Arbeit.